Frauen-Power in der Gemeindeleitung
„Wenn euch die Gemeinde nicht passt, dann tut was.“ Wenn Marcelline Schmidt vom Hofe darüber spricht, warum sie sich für die Kirchengemeinde St. Petrus Canisius in Oberstedten engagiert, dann erinnert sie sich daran, was ihr ein alter pensionierter Priester vor Jahrzehnten gesagt hatte. Für die heute 70-jährige Therapeutin kam die damalige Aufforderung des Geistlichen einer Initialzündung gleich. Heute ist Schmidt vom Hofe neben ihrem langjährigen ehrenamtlichen Engagement im Pfarrgemeinderat Teil eines Pilotprojektes, das im Bistum Limburg bisher einzigartig ist. Drei Frauen leiten die Gemeinde. Mit dem Segen des Pfarrers und der Unterstützung der gesamten Pfarrei St. Ursula in Oberursel. Und mit viel Begeisterung, Energie und Freude.
„Einen schönen guten Morgen“, heißt das Team an einem trüben Sonntag Gottesdienstbesucher vor dem Eingangsportal der kleinen Kirche willkommen. Hier und da gibt es eine herzliche Umarmung, manchmal folgt ein kurzes Gespräch. „Schön, dass du gekommen bist und beim Weltgebetstag wieder mitmachst“, begrüßt Schmidt vom Hofe eine in der Kirchengemeinde engagierte Frau. Das Team kennt viele Gemeindemitglieder sehr gut. Doch es gebe auch immer neue Gesichter. Später zu Beginn des Gottesdienstes begrüßt das Team als Leitung der Gemeinde die neuen Kommunionkinder und deren Eltern. Im Gemeindehaus sind Tische aufgebaut, Kaffee und Kuchen stehen bereit für das Kirchencafé nach dem Gottesdienst. Der Pfarrer konnte wegen eines weiteren Termins nicht länger bleiben.
Die Gemeinde zusammenhalten
„Unsere Hauptaufgabe ist es, mit der Gemeinde im Gespräch zu sein und sie zusammenzuhalten. Wir müssen im Blick behalten, was die Gemeinde gerade braucht“, erklärt Edith Schröder. Die 55-jährige gebürtige Kölnerin gehört neben Schmidt vom Hofe und Renate Kexel zum Dreigespann, das der katholischen Kirche in Oberstedten ein Gesicht gibt. Müssen Dinge im Gottesdienst vermeldet werden? Brauchen die verschiedenen Gruppen Unterstützung? Wie läuft die gemeinsame Arbeit mit dem Ortsausschuss? Wer geht auf den Termin, zu dem die Kommune eingeladen hat? „Es sind tausend kleine Dinge, die in die Hand genommen werden müssen“, erklärt Schröder. Da sie noch im Geigenbaubetrieb ihres Mannes in der Kundenbetreuung arbeitet, ist die Zeit für Schröder gerade an den Wochenenden knapp. „Es geht nur, weil wir im Team arbeiten.“ Alle sechs bis acht Wochen treffen sich die Frauen zu einem größeren Dienstgespräch, vieles werde aber direkt per Email erledigt oder nach dem sonntäglichen Gottesdienst besprochen. Brauche das Team Hilfe, etwa in theologischen Fragen, bekomme es viel Unterstützung „Der Pfarrer und das Team der Hauptamtlichen stehen hinter uns.“
Auf zunächst drei Jahre ist das Pilotprojekt in Oberstedten mit dem Titel „Ehrenamtliche Gemeindeleitung im Team“ ausgelegt. Ende 2015 wurden Gemeindemitglieder auf einer Gemeindeversammlung informiert, 2016 folgte ein Forum, bei dem mitdiskutiert werden konnte. Anfang 2017 startete das Projekt dann offiziell: In einem Gottesdienst wurden die drei Frauen beauftragt und ausgesandt. Das sei dem Team damals wichtig gewesen, erzählt Renate Kexel. Anfangs hätten sie sich gefragt, ob das Team mit ihrer neuen ungewohnten Rolle von der Gemeinde akzeptiert werde. Heute aber ist das alles kein Thema mehr: „Es erstaunt mich immer wieder, wie anerkannt wir als ehrenamtliche Gemeindeleitung sind“, sagt die 66-jährige freischaffende Künstlerin und ehemalige Verlagsleiterin. Anfangs sei zwar noch nach einem Priester gefragt worden. „Bei unseren Gemeindemitgliedern ist jetzt aber klar, wer Ansprechpartner ist. Und auch außerhalb der Gemeinde sind wir anerkannt.“ Einladungen zu Veranstaltungen der Kommune, Klausurtagungen der Pfarrei oder Treffen mit dem hauptamtlichen Pastoralteam seien selbstverständlich.
Impulsgeberinnen und Gestalterinnen
Als eine Notlösung oder einen Ersatz für fehlende Seelsorger verstehen sich Kexel, Schmidt vom Hofe und Schröder nicht. Vielmehr sehen sich die Frauen als Impulsgeberinnen und Gestalterinnen für die Kirche. Es geht nicht nur darum, irgendein „Aktivitätenprogramm“ durchzuziehen, macht Renate Kexel deutlich. „Es geht uns um das tiefere Warum im Glauben und darum, für die Menschen und ihre Anliegen da zu sein. Das erwarten Menschen heute von der Kirche. Das Team wolle nicht nur die vier Säulen der Kirche von Caritas, Verkündigung, Liturgie und Gemeinschaft im Blick behalten, sondern auch die Vision der Pfarrei St. Ursula von einer offenen, wertschätzenden, lebendigen und gläubigen Kirche fördern.
Und sie wollen anderen Engagierten im Bistum Mut machen, wie sie als Ehrenamtliche Verantwortung übernehmen können. Natürlich seien die Voraussetzungen in einer kleinen Gemeinde mit einem Pfarrer, der dieses Projekt möglich gemacht hat, einem aufgeschlossenen Pastoralteam sowie einem modernen Gemeindezentrum, besser als anderswo, glaubt Schmidt vom Hofe. „Oft aber stellt man sich das zu kompliziert vor, was wir als Gemeindeleitung tun“, meint sie. „Wir machen das, was andere Ortsausschussvorsitzende auch machen. Der große Unterschied ist, dass wir mehr in der Verantwortung stehen und viel mehr auf Haltungen achten.“ Für Renate Kexel geht es aber auch darum, Ehrenamtlichen mehr zuzutrauen, wenn es um die Leitung von Kirche geht. „Wir sind aus der Taufe, aus der Firmung und aus dem Glauben heraus dazu befähigt.“
Video "Ehrenamtliche Gemeindeleitung im Team"
Externer Inhalt
Dieser Inhalt von
youtube.com
wird aus Datenschutzgründen erst nach expliziter Zustimmung angezeigt.